GRÜNER STROM FÜR DIE TRANSFORMATION
CHEMDELTA BAVARIA
WESHALB BENÖTIGT DIE INDUSTRIE SO VIEL STROM?
In der Chemieindustrie gilt es, Moleküle zu trennen und neu zusammenzusetzen. Das ist energieintensiv – und dient im Fall des Bayerischen Chemiedreiecks dennoch der Nachhaltigkeit. Zum einen, weil die ChemDelta-Unternehmen weltweit führend sind, was Effizienz und Verbundstrukturen angeht. Und zum anderen, weil die hier erzeugten Produkte unverzichtbar sind für die Klimawende – angefangen von der Elektromobilität über die Technik zur Nutzung Erneuerbarer Energien bis hin zu klimafreundlichem Bauen. Ein Beispiel: Die bei WACKER in Burghausen erzeugte Jahresmenge an Solar-Polysilicium spart – über die gesamte Lebensdauer der daraus gefertigten PV-Module gerechnet – mehrere hundert Millionen Tonnen CO2 ein.
IN ZUKUNFT WIRD DER ENERGIEBEDARF NOCH STEIGEN
Steigen wird vor allem der Strombedarf. Um klimaneutral zu werden, müssen die Unternehmen sowohl ihre Energieträger als auch ihre Rohstoffbasis von fossil auf erneuerbar umstellen. Der Schlüssel dazu lautet Elektrifizierung. Statt etwa Erdgas zu verbrennen, um damit Prozessdampf und Strom zu erzeugen, werden künftig unter anderem Wärmepumpen den benötigten Dampf liefern. Der Strom wird noch stärker als bisher über das öffentliche Netz aus klimafreundlichen Quellen bezogen. Und auf der Rohstoffseite wird vieles, was heute aus Rohöl gewonnen wird, auf „grüner“ Basis hergestellt werden, etwa mithilfe von Wasserstoff. Doch die Herstellung von Wasserstoff ist abermals energieintensiv. Auch Wärmepumpen benötigen viel Strom, ebenso weitere Komponenten, die im Zuge der Transformation eine Rolle spielen. Damit wächst der Strombedarf rapide an. Eine Studie hat jüngst errechnet, dass
sich der Verbrauch des Chemiedreiecks in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mindestens verdoppeln wird.
WOHER SOLL DER GANZE STROM KOMMEN?
Der enorme Bedarf wird niemals zur Gänze aus der Region heraus abgedeckt werden können. Entsprechend laufen Projekte, um das Chemiedreieck mittels 380-kV-Leitungen besser ans europäische Höchstspannungsnetz anzubinden. Parallel dazu wird der Aufbau eines internationalen Pipelinenetzes zur Wasserstoffversorgung vorangetrieben. Denn Wasserstoff – sofern er nachhaltig erzeugt wird – kann einen Teil des künftigen Energiebedarfs CO2-neutral
abdecken. Obendrein kann er aus dem „Klimakillergas“ CO2 einen wertvollen Rohstoff werden lassen. So lässt sich aus CO2 und grünem Wasserstoff klimaneutrales Methanol herstellen – ein wichtiger Ausgangsstoff für viele chemische Prozesse.
DAMIT BERUHT DIE ENERGIEVERSORGUNG ALSO DOCH AUF ÜBERLANDLEITUNGEN UND INTERNATIONALEN NETZEN
Auch die Region kann einen entscheidenden Beitrag leisten. Zum einen bauen aktuell die Chemieunternehmen selbst massiv ihre Möglichkeiten der klimafreundlichen Energiegewinnung aus, sei es in Form von PV-Anlagen, Biomassekraftwerken oder Geothermie. Zum anderen sollte auch jede weitere sinnvolle Gelegenheit in der Umgebung genutzt werden – zumal eine regionale Erzeugung ein Plus an Sicherheit bietet, schließlich muss der Strom nicht erst
über hunderte oder tausende Kilometer herangeführt werden. Der geplante Windpark Altötting etwa soll den Bedarf von bis zu 150.000 Haushalten abdecken. Das ist beinahe das Doppelte dessen, was im Alzkraftwerk der Wacker Chemie jährlich erzeugt wird – jenes Kraftwerk, das überhaupt erst für die Ansiedlung der Industrie in der Region sorgte und für dessen Inbetriebnahme vor mehr als 100 Jahren der Bau des 16 Kilometer langen Alzkanals zwischen Hirten
und Burghausen notwendig war.
WESHALB STELLT DIE INDUSTRIE NICHT IN IHREN EIGENEN WERKEN WINDRÄDER AUF?
Die Betriebe unterliegen häufig der Störfallverordnung und damit entsprechend strengen Sicherheitsauflagen. Für den zwar äußerst unwahrscheinlichen, aber nicht gänzlich auszuschließenden Fall, dass es zur Havarie eines Windrades kommt, ist es besser, dies geschieht in unbesiedeltem Gebiet als inmitten von Chemieanlagen.
DIE WINDKRAFT UNTERLIEGT STARKEN SCHWANKUNGEN. IST SIE DAMIT NICHT UNBRAUCHBAR FÜR DIE INDUSTRIE?
Es stimmt, dass Windkraft und PV-Energie volatil sind. Doch sie ergänzen sich gut – schließlich weht der Wind auch nachts, und im Winterhalbjahr, wenn PV-Anlagen weniger Ertrag bringen, sogar tendenziell stärker. Hinzu kommt: So wie im Privathaushalt mit eigener PV-Anlage das Verbrauchsverhalten an die PV-Leistung angeglichen werden kann, so können auch Großverbraucher wie die Chemieindustrie Prozesse anpassen. Elektrolyseure beispielsweise können binnen kürzester Zeit an- und abgefahren werden. Damit könnte die Chemieindustrie – sofern entsprechend attraktive Voraussetzungen geschaffen werden – mit einer flexibleren Produktion Schwankungen in der Energieerzeugung nachfahren und entsprechend stabilisierend wirken.